Seit Dezember 2022 gibt es etwas neues bei Trainieren mit Hirn: Leistungsdiagnostik via INSCYD. Doch wie funktioniert das genau und was steckt dahinter?
Um dein Training höchstmöglich effizient durchzuführen ist es nötig zu wissen wie es aktuell mit deiner eigenen Leistungsfähigkeit bestellt ist. Nur dann kann eine TrainerIn oder du selbst als AthletIn die entsprechenden Leistungsbereiche ableiten und daraus das Training planen um dich bestmöglich weiterzuentwickeln. Im Idealfall wirst du wissen wo deine Schwachpunkte liegen bzw. was deine aktuellen Begrenzer oder Hemmer darstellt. Letztere natürlich immer in Abstimmung mit den Bewerben wo du teilnehmen oder deine Bestleistung bringen willst.
Beispielsweise hat ein Mittelstreckenläufer (400-1500m) ganz andere Anforderungen wie ein 10km-Läufer oder ein Marathonläufer. Beim Marathoni geht es vor allem um die aerobe Leistung, die Energieversorgung und Nahrungsaufnahme während der Mittelstrecker stark im anaeroben Bereich unterwegs ist und mit hohen Laktatbelastungen zurecht kommen muß.
Oder eine FahrerIn bei einem Radrennen mit vielen Tempo- und Leistungsspitzen: um im Feld dranzubleiben muß neben der aeroben Dauerbelastung auch eben mit diesen Leistungsspitzen zureckt gekommen werden während eine ZeitfahrerIn die über eine festgelegte Strecke die höchstmögliche, konstante Leistung bringen muß und jegliche Leistungsspitze vermeidet.
Wenn du nicht weißt wie gut du in den für dich nötigen Bereichen aktuell liegst kann es dadurch leicht vorkommen dass du dich zu sehr in bestimmten Bereichen „verrennst“ wo du denkst Bedarf zu haben statt das zu trainieren das dir am meisten bringt.
Die einfachsten Arten kennst du sicher: deine Hausrunde beim Laufen oder Radfahren oder beim Schwimmen zu sehen wie schnell du über 100, 400 oder 1000m bist.
Das ist sicher eine gute erste Annäherung und um zu sehen ob du dich da weiterentwickelst wenn du deine eigenen Rekorde auf gleichbleibenden Strecken unter möglichst gleichen Bedingungen(!) verbesserst. Und fürs erste im Normalfall auch völlig ausreichend. Vor allem kannst du diese Tests sehr oft durchführen, so zB alle 2-4 Wochen.
Eine Spur besser wird es schon mit definierten Strecken beim Laufen: zB auf einer Laufbahn 5km zu laufen wodurch du auch schon die Möglichkeit hast auf etwas längere Strecken mittels verschiedener Onlinerechner zu einem Teil abschätzen zu können wie schnell du sein kannst, zB den hier bei Lauftipps.ch. Aber auch solche Prognosen sind auch immer mit Vorsicht zu genießen, denn manche AthletInnen sind auf langen Strecken eher schlechter als auf den kurzen wobei es aber auch umgekehrt sein kann. Es ist immer nur ein Mittelwert und keine Garantie dass du die angebebene Zeit auch wirklich erreichen kannst.
Eine weitere gute Möglichkeit für die Radfahrer sind sogenannte FTP-Tests. Dafür benötigst du aber schon einen Leistungsmesser um deine Leistung in Watt zu messen.
Diese erfolgen nach einem festgelegten Protokoll und sind entweder im Normalfall eine 20-minütige All-Out-Belastung oder ein Stufen- oder Rampentest wo jede Minute deine erforderliche Leistung erhöht wird bis du nicht mehr kannst.
Aus diesen Leistungen kann dann deine Functional Treshold Power (=FTP) abgeleitet bzw. berechnet werden: diejenige maximale Leistung die du über eine Stunde halten kannst.
Da ein FTP-Test aber recht anstrengend und auch mental fordernd ist wirst du diesen im Regelfall nicht jedes Monat sondern seltener durchführen.
Für die Läufer ist die Benchmark entweder der klassische 10km-Lauf (Bahn oder Straße) oder für die technikverliebteren der Critical-Power-Test, den der Laufwattmesser-Hersteller Stryd anbietet. Beides zielt auf ähnliches wie der FTP-Test ab – deiner aeroben Dauerleistung über etwa eine Stunde.
Beim Schwimmen ist am besten der sogenannte CSS-Test (= critical swim speed) wo hintereinander 400m und 100m (oder 200m) all-out geschwommen werden und daraus ähnlich wie bei der FTP Leistungsbereiche errechnet werden können. Die Berechnungsformel dafür lautet
CSS = (400m-Zeit in s – 100m-Zeit in s) * 100 / (400m – 100m).
bzw. analog mit der 200m-Zeit und 200m.
Daraus ergibt sich dann der CSS-Wert in Sekunden/100m.
Noch besser und genauer sind sogenannte Labortests. Diese kannst du nicht mehr in Eigenregie durchführen sondern brauchst Spezialisten dafür. Das können entweder Ärzte sein oder auch TrainerInnen mit entsprechender Befähigung.
Der bekannteste Test ist der Laktatstufentest. Hierbei wird auch wieder stufenweise die Belastung erhöht bis da als Athlet abbrechen musst. Nach jeder Stufe wird zusätzlich dein Laktatwert über ein Tröpfchen Blut aus deinem Ohrläppchen gemessen und das ganze in einem Diagramm als Kurve dargestellt. Daraus werden dann vor allem 2 Werte ermittelt: deine individuelle aerobe Schwelle (= jene Leistung ab der du mit deinem aeroben System alleine nicht mehr auskommst) und deine individuelle anaerobe Schwelle (= jene Leistung ab der du das im anaeroben Bereich anfallende Laktat nicht mehr genauso schnell abbauen kannst wie es erzeugt wird). Bei letzterer kommt es infolge des sich nun anhäufenden Laktats dann irgendwann – je nach Laktatverträglichkeit deines Körpers – zum Abbruch und der bekannten Übersäuerung.
Diese Laktattests geben dir schon recht gut Aufschluß über deine Leistungsfähigkeit und können dir auch gute Trainingsbereiche ableiten. Nachteil ist allerdings dass du den im Normalfall nur selten draußen durchführen kannst und manchmal leider auch nicht mit deinem gewohnten Equipment. (Gerade letzteres kann sich auch auf den Test auswirken, wenn du beispielsweise mit einem fremden Sattel oder ungewohnter Geometrie am Rad nicht deine aktuell volle Leistungsfähigkeit aufs Pedal bringst. Auch ein Laufbandtest bringt dir beim Testergebnis nicht sehr viel, wenn du nicht gewohnt bist auf einem Laufband zu laufen.)
Etwas vollständiger wird das eigene Bild noch mit einer Spiroergometrie. Dabei hast du bei einem Laktatstufentest noch eine Maske auf die deinen Sauerstoffgehalt beim Ein- und Ausatmen misst. Das geht aber dann wirklich nur mehr in einem Labor bzw. indoor und seltenst am eigenen Rad.
Wichtig ist bei all diesen Tests dass es keine Ableitungen von einer zur anderen Sportart gibt! Wenn du also einen zB einen Laktatstufentest am Rad durchführst sagt das nichts über dein Laufvermögen aus und umgekehrt.
Solche Labortests sind in der Regel nicht billig und kosten zwischen 100 und 200 Euro je nach Anbieter. Das ist auch ein Grund weshalb diese nicht jede Woche oder Monat gemacht werden sondern nur zu bestimmten Zeitpunkten in deinem Saisonverlauf. Ein guter Zeitpunkt ist zum Trainingsbeginn bzw. wenn man nach einer Off-Season wieder 2-4 Wochen im Training ist. Dann kann alle 6-8 Wochen mit einem neuerlichen Test überprüft werden ob eine Entwicklung stattgefunden hat.
Da dies über eine ganze Saison mit 6-8 Tests aber auch schon ins Geld gehen kann wird nach dem Anfangstest meist nur ein zweiter Test relativ knapp vor dem Saisonhöhepunkt wie beispielsweise einem IronMan (zB 2-3 Wochen davor) durchgeführt um daraus die Leistungsvorgaben für den Wettkampf abzuleiten.
Teil der Auswertung: metabolisches Profil
Der sogenannte Power-Performance-Decoder (kurz: PPD) von INSCYD ist hier eine Art Mittelding zwischen Labortests und selbst durchführbaren Tests. Nach einem vorgebebenen Protokoll absolvierst du maximale Ausbelastungen über 20s, 3min, 6min und 12min mit festgelegten Pausen dazwischen. Diesen Test kannst du entweder in einer Einheit oder auch auf 2 bis maximal 3 Tage aufgeteilt in deiner gewohnten Umgebung mit deinem eigenen Equipment indoor oder outdoor durchführen.
Danach benötigst du allerdings einen Anbieter des PPD deiner Wahl. Den findest du entweder über die INSCYD-Website oder du fragst mich. 😉
Besser ist allerdings du machst das bevor du den Test wirklich durchführst, damit du dabei auch alles richtig machst. Zusätzlich müssen auch Körpergröße, Gewicht und Körperfettanteil mitangegeben werden.
Der betreffende Trainer prüft dann deine Testdaten. Das System dahinter ist dabei so clever, dass es automatisch prüft ob die Daten alle zusammenpassen. Dabei kann es auch vorkommen dass du vielleicht einen der All-out-Intervalle noch mal machen musst, da erkannt wurde dass du dich dabei nicht vollkommen ausbelastet hast.
Teil der Auswertung: Fettverbrennung
und KH-Verbrauch nach Leistung
Wenn alle Testintervalle valide sind erhältst du von deinem INSCYD-Anbieter ein Auswertungsprotokoll das du mit ihm dann natürlich noch im Detail besprichst.
Im Protokoll sind vor allem folgende Werte enthalten:
Teil der Auswertung: metabolische
Werte und Einordnung
Genau hier ist dann der große Vorteil des PPD hinsichtlich einer konventionellen Laktatdiagnostik zu sehen. Denn letztere sagt nicht viel über die VLamax aus. Die Laktatbildungsrate ist aber hinsichtlich längeren Ausdauerbelastungen ein entscheidender Wert, der relativ gering sein sollte. Denn wenn du nur wenig Laktat anhäufst bleibst du besser im aeroben Bereich. Dieser ist insofern wichtig, da hier für die Energiebereitstellung noch vermehrt Fette herangezogen werden und nicht deine wertvollen Kohlenhydrate.
Bei Marathons, Triathlon-Mitteldistanzen und Ironmans ist das in Kombination mit dem Wissen bis zu welcher Leistung du fahren oder laufen kannst um deine Kohlenhydrataufnahme und Fettstoffwechselbereich optimal nutzen kannst und kann darüber entscheiden ob du beim Wettbewerb am Ende (oder auch schon vorher) gehen musst oder durchläufst.
Den PPD würde ich empfehlen in einer ähnlichen Häufigkeit wie eine klassische Laktatdiagnostik durchzuführen, also einmal zu Beginn der Saison und ein zweites Mal vor dem Saisonhöhepunkt. Dazwischen ist sicher auch möglich und bringt noch genauere Erkenntnisse, allerdings ist das auch eine Frage der Geldbörse. 😉
Denn der PPD kostet meist so um die 150 – 170€. Dafür hat man aber eine nahezu perfekte Sicht auf die eigene Leistungsfähigkeit. Und:
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